Beobachtung der Quasare QSO J 1723+2243 und SPIT J17210+6017


Dr. Gerold Holtkamp, 23.8.2021


Die Beobachtung von zwei sehr weit entfernten Quasaren wird beschrieben. Es handelt sich um sehr lichtschwache Objekte, die nur mit entsprechend lichtstarken Teleskopen abgebildet werden können. Außerdem ist eine äußerst lichtempfindliche Kamera erforderlich.


Quasare sind extrem. Sie sind extrem weit entfernt. Die Lichtlaufzeit kann weit über 12 Milliarden Jahre betragen. Damit sind sie auch extrem jung. Das, was wir sehen, stammt aus den Anfängen des Universums. Sie sind trotzdem für uns sichtbar, weil sie extrem hell sind. Sie haben typischerweise eine bis zu 1000-milliardenfache Leuchtkraft unserer Sonne. Für die Energiemenge, die sie ausstoßen, sind sie aber auch extrem klein. Der energieerzeugende Bereich hat lediglich die Größe unseres Sonnensystems. Das Bild eines Quasars ist zudem auf den ersten Blick extrem unspektakulär, nämlich lediglich ein matter Punkt, wie ein schwacher Stern. Wenn man sich aber vor Augen führt, was man da eigentlich auf der Aufnahme sieht, wird es extrem interessant. Es ist allerdings für die eigene Vorstellungskraft eine ziemliche Herausforderung. Aufregend – zumindest für einen selber – ist natürlich auch der Beobachtungs- bzw. Aufnahmeprozess selbst, die „Jagd“, wenn man so will.


Als Amateurastronom macht man meist keine eigenen Entdeckungen. Man kann aber versuchen, möglichst nah am Neuland der Astronomie zu sein. Das hat ohne Frage seinen Reiz.  Um solche interessanten Objekte aufzuspüren, kann man in großen über das Internet zugänglichen Katalogen* recherchieren, um geeignete Kandidaten für die Jagd zu finden [1].  


Ich hatte bereits einige Quasare aufgenommen [2]. Die Aufnahmen waren mit einer Spiegelreflexkamera Canon 6D am großen Cassegrain Teleskop der Sternwarte des Naturwissenschaftlichen Vereins Osnabrück durchgeführt worden. Die Canon 6D ist leider ungekühlt. Sie hat damit ein hohes thermisches Rauschen, insbesondere wenn sich der Aufnahmechip während der Aufnahme stark erwärmt. Diesmal sollte meine neue Kamera, eine gekühlte (!) QHY268M zum Einsatz kommen. Damit hoffte ich, deutlich weiter entfernte Quasare als die bisherigen einfangen zu können. Entfernter bedeutet dabei in der Regel auch lichtschwächer. Zwei Kandidaten hatte ich aus den Datenbanken herausgefiltert, die im August gut zu beobachten waren:
Quasar QSO J 1723+2243 mit einer Rotverschiebung von 4,52 und einer scheinbaren Helligkeit von 18,17 mag im Sternbild Herkules
Quasar SPIT J17210+6017 mit einer Rotverschiebung von 5,799 und einer scheinbaren Helligkeit von 20,63 mag im Sternbild Drache


Am 11.8.2021 sah das Wetter entsprechend der Vorhersage vielversprechend aus. Der Mond würde um 22:33 Uhr untergehen, die astronomische Dämmerung um 23:32 Uhr enden. Mein Astro-Kollege Thomas Grunge und ich verabredeten uns für 22 Uhr an der Sternwarte. Und tatsächlich, das Wetter war wie vorausgesagt.

Das Autoguiding, das ist die Feinnachführung des Teleskops, erfolgte mit dem Refraktor (13 cm Öffnung, 180 cm Brennweite), der Huckepack auf dem Hauptteleskop montiert ist. Vor die Guidingkamera Starshoot Autoguider war noch eine Shapley-Linse montiert. Als Software kam PHD Guiding zum Einsatz. Das Autoguiding lief auf Anhieb sehr gut.


Der Aufbau für die eigentliche Beobachtung war wie folgt:
Teleskop: Cassegrain mit 60 cm Öffnung und 746 cm Brennweite
CLS-Filter: IDAS LPS D2
Kamera: QHY268M
Aufnahmesoftware: SharpCap 4.0
Bildbearbeitung: Fitswork, Gimp, Paintnet

Als Ersten wollten wir den Quasar QSO J 1723+2243 versuchen. Mit 18,17 mag scheinbarer Helligkeit erschien er uns erreichbar. Es wurden 10 Lights a 300 s, 5 Darks a 300 s und 16 Flats a 2 s aufgenommen.
Kamera: Binning=1×1, Read Mode=High Gain Mode, Gain=100, Offset=11, Chiptemperatur=-12 °C


Unbearbeitete Einzelaufnahme des Quasars QSO J 1723+2243


Aus 10 Aufnahmen gestackte und bearbeitete Aufnahme


Da bereits auf der unbearbeiteten Einzelaufnahme der Quasar mit seinen lediglich 18,17 mag Helligkeit zu erkennen gewesen ist, waren wir mutig genug und haben uns an den Quasar SPIT J17210+6017 gewagt.
Kamera: Binning=2×2, Read Mode=High Gain Mode, Gain=100, Offset=11, Chiptemperatur=-12 °C
Aufnahmen: 10 Lights a 300 s (8 gestackt), 5 Darks a 300 s und 16 Flats a 2 s


Auf der unbearbeiteten Einzelaufnahme war diesmal aber fast nichts zu sehen, kein Wunder bei der geringen Helligkeit von 20,63 mag. Nach dem Stacken von 8 Einzelaufnahmen und einer geeigneten Bildbearbeitung tauchte der Quasar jedoch aus dem Dunkel auf! Eine erfolgreiche „Jagd“!


Unbearbeitete Einzelaufnahme des Quasars SPIT J17210+6017


Aus 8 Aufnahmen gestackte und bearbeitete Aufnahme


Beim Betrachten sollte man sich vor Augen führen, dass der Punkt auf der Aufnahme nicht bloß ein Punkt ist, sondern von Photonen erzeugt wurde, die vor „Ewigkeiten“ – vor 12,737 Milliarden Jahren – von einer unvorstellbar gigantischen Quelle erzeugt wurden, die die Leuchtkraft unserer eigenen Milchstraße um ein mehrfaches übertroffen hat [3]. Wenn das kein Erlebnis ist ….


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[1] VERONCAT – Veron Catalog of Quasars & AGN, 13th Edition

[2]


[3]

Die Lichtlaufzeit wurde mit dem sog. „Cosmology Calculator“

http://www.astro.ucla.edu/~wright/CosmoCalc.html aus der Rotverschiebung von 5.799 berechnet. © 1999-2016 Edward L. Wright (2006, PASP, 118, 1711)