Messung der Lichtkurve des Exoplaneten Qatar-1 b
Bericht von Dr. Gerold Holtkamp, 27. April 2021
Das Vorhaben
Eine moderne Spiegelreflexkamera, abgekürzt DSLR (englisch für Digital Single-Lens Reflex) , ist ein leistungsfähiges Gerät. Auch in der Astrofotografie kann sie eingesetzt werden – solange die Objekte hell genug sind. Ist die Lichtintensität gering, macht sich das sog. Rauschen störend bemerkbar. Wäre der Aufnahmechip der DSLR gekühlt (ist er aber nicht!), könnte man dieses Rauschen effektiv reduzieren. Deswegen sind speziell für die Astrofotografie entwickelte Kameras mit einer eigenen Kühlung des Aufnahmechips ausgestattet. Meine Ausrüstung besteht (bis jetzt) aber leider nur aus DSLR-Kameras. Die leistungsfähigste davon ist die Canon 6D. Damit wollte ich mich an eine schwierige Aufgabe heranwagen: Nachweis eines Exoplaneten.
Als Exoplaneten werden die Planeten bezeichnet, die um einen anderen Stern als unsere Sonne kreisen. Da aber alle Sterne und ihre möglichen Planeten sehr weit von uns entfernt sind – selbst die in unserer kosmischen Nachbarschaft -, kann man diese Exoplaneten nicht direkt beobachten. In den vergangenen Jahren sind tatsächlich Aufnahmen gelungen, allerdings mit extrem hohem technischen Aufwand, der für Amateurastronomen gegenwärtig nicht erreichbar ist. Der für uns aber vielversprechendste Weg zum Nachweis (nicht Abbildung!) ist die sog. Transitmethode. Es gibt Sterne, deren Planeten genau zwischen dem Mutterstern und uns Beobachtern auf der Erde durchziehen. Bei diesem Transit wird also der Stern für uns ein wenig dunkler. „Dunkler“ meint hier aber nur einen Helligkeitsabfall von wenigen mmag. Es ist also für eine DSLR Kamera eine echte Herausforderung, diesen Helligkeitsabfall festzustellen.
Das Cassegrain-Teleskop der Sternwarte des naturwissenschaftlichen Vereins Osnabrück hat 60 cm Spiegeldurchmesser und eine Brennweite von 746 cm. Bereits Anfang Januar 2018 hatte ich versucht, mit diesem Teleskop und meiner Canon 6D Exoplaneten-Transits nachzuweisen. Zu der Zeit war allerdings noch die ursprüngliche Steuerungssoftware des Teleskops aus dem Jahr 1992 zur Nachführung installiert. Eine moderne Autoguiding-Software wie z.B. PHD, die für die Feinnachführung zuständig ist, konnte nicht eingesetzt werden. Bei der großen Brennweite ist es allerdings unbedingt notwendig, eine Feinnachführung zu haben, da man sonst keine punktförmigen Sterne erhält. Entsprechend fielen die ersten Versuche aus.
Nach einer Renovierung der Technik war ab November 2019 das Autoguiding möglich. Es hat allerdings noch bis zu diesem April 2021 gedauert, bis nach lang anhaltenden Schlechtwetterphasen, der Corona-Pandemie und einigen Fehlversuchen die vorliegende Messung zum Erfolg führte.
Die Messung
Ich hatte für den 23. April 2021 auf der Seite des Swarthmore Colleges [1] den Transit des Exoplaneten Qatar-1 b vor seinem Stern als geeignet ausfindig gemacht. Swarthmore gibt eine Lichtabsenkung von 21,4 mmag an.
Qatar-1 ist ein 12,843 mag heller Stern im Sternbild Drache [2]. Er ist 0,8 mal so groß wie unsere Sonne, 4800 K heiß, 4,5 Mrd. Jahre alt und 610 Lichtjahre entfernt. Sein Planet, Qatar-1 b, wurde 2010 entdeckt. Er ist etwa 1,2 mal so groß wie Jupiter und umkreist seinen Mutterstern in 1,42 Tagen in einer Entfernung von 3, 5 Mio. km. Deshalb hat er eine Oberflächentemperatur von ca. 1500 K und wird als sog. „heißer Jupiter“ bezeichnet.
Qatar-1 b sollte um 1:05 Uhr MESZ vor Qatar-1 treten, um 1:55 Uhr MESZ in der Mitte sein und um 2:45 Uhr MESZ wieder abtreten. Der 57% beleuchtete Mond stand 93° entfernt, konnte also gerade nicht mehr ins Teleskop scheinen. Er hellte zwar den Himmel bereits auf, da es sich aber um eine Relativmessung handelte, würde er die Messung außer durch ein etwas schlechteres Signal-Rauschverhältnis nicht beeinflussen. Begonnen habe ich meine Messungen bereits vor dem Transit um 0:25 Uhr MESZ, damit ich eine ausreichend große Anzahl an Messungen der Helligkeit des unbedeckten Sterns zur Verfügung hatte. Messungen bedeutet hier, dass Einzelaufnahmen des Sternfeldes mit und um Qatar-1 gemacht wurden. Dieses Bildfeld hatte bei dem gewählten Aufbau eine Größe von 16×10 arcmin².
Insgesamt wurden in der Zeit von 0:25 Uhr bis 3:43 Uhr 98 Aufnahmen erstellt. 10 weitere Aufnahmen konnten nicht verwendet werden, weil die Sterne nicht scharf genug abgebildet waren, was vermutlich von Fehlern in der Nachführung herrührte. Die Belichtungszeit betrug 105 s pro Aufnahme bei einer Empfindlichkeit von ISO 3200. Diese Aufnahmeparameter wurden gewählt, damit genügend Licht von Qatar-1 auf die lichtempfindlichen Pixel des Aufnahmechips fällt, aber auch nicht zu viel, was eine Übersteuerung und damit eine ungültige Messung bedeuten würde. Die richtige Belichtungszeit wurde mit der Software IRIS überprüft:
Zusätzlich wurden jeweils 20 Flatfield-, Darkfield- und Bias-Aufnahmen erstellt. Die Bildverarbeitung und -auswertung erfolgte mit der MuniWin 2.1-Software, die die Fotometrie von Aufnahmeserien ermöglicht. Hierbei wird die Helligkeit des Zielsterns (Qatar-1) mit der eines anderen Sterns (Comparison Star) verglichen.
Es ist wichtig das beide Sterne ungefähr vom gleichen Spektraltyp sind. Während der über dreistündigen Messung hat sich Qatar-1 von 40° bis 58° Höhe bewegt. Das bedeutet für das Licht unterschiedlich lange Wege durch die Erdatmosphäre, was beim Vergleich der Helligkeit von Sternen mit stark unterschiedlichen Spektraltypen zu einer Verfälschung der Lichtkurve führen würde. Der Vergleichsstern hat die etwas längliche Bezeichnung 2MASS J20131440+6507000 [3]. Mit einem Farbindex von B-V = 0,983 ist er ähnlich wie Qatar-1 mit B-V = 1,06.
Das Ergebnis
Als Ergebnis gibt MuniWin die oben stehende Lichtkurve als Diagramm und als Datensatz aus. Man kann diese Daten auch bei der Tschechischen Astronomischen Gesellschaft in der sog. Exoplanet Transit Data Base (ETD) hochladen [4]. Hierbei ist zu beachten, dass man die Zeiten auf UTC korrigiert. Man erhält eine um mögliche Trends bereinigte Lichtkurve und zusätzlich einen modellbasierten Fit [5]. Außerdem werden aus den eigenen Messungen die Parameter Zeitpunkt der Mitte des Transits, seiner Tiefe und seiner Dauer bestimmt. Diese Werte lassen auf Eigenschaften des Exoplaneten schließen.
Werte meiner Messung (aus ETD)
Transitmitte: 1:52 UTC +/- 0:02 min
Transitdauer: 88,0 +/- 6,0 min
Helligkeitsabfall: 25,3 +/- 2,7 mmag
Literaturwerte (ETD, Swarthmore)
1:54 UTC, 1:55 UTC
96,7 min, 100 min
20,4 mmag, 21,4 mmag
Die Bewertung
Meine gemessenen Werte liegen somit geringfügig außerhalb der oben aufgeführten Werte von ETD und Swarthmore College. Bei der Transitmitte gibt es sogar innerhalb der Fehler eine Übereinstimmung. Vergleicht man meine mit der DSLR Canon 6D aufgenommenen Werte mit denen vom Astro-Kollegen Thomas Grunge, die er mit einer gekühlten CCD-Kamera erstellt hat, so fällt auf, dass das Signal der DSLR deutlich verrauschter ist [6]. Man bewegt sich offensichtlich mit einer DSLR beim Nachweis von Exoplaneten im Grenzbereich. Aber es ist noch „Luft nach oben“. So war das Autoguiding noch nicht optimal, weil nur sehr schwache Guiding-Sterne zur Verfügung standen. Evtl. hat der Mond doch über Reflexionen am Spalt der Sternwartenkuppel die Messungen gestört. Es geht also weiter…..
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[1] https://astro.swarthmore.edu/transits/transits.cgi
[5] Poddany S., Brat L., Pejcha O., New Astronomy 15 (2010), pp. 297-301,
Exoplanet Transit Database. Reduction and processing of the photometric data of exoplanet transits (arXiv:0909.2548v1)