– Beobachtung von drei mehrfach abgebildeten Quasaren –
Beitrag von Dr. Gerold Holtkamp, 15.3.2025
Es wird die Beobachtung der drei Quasare Q0957+561, RXJ0921+4529 und SDSS J1029+2623beschrieben. Bei ihnen werden durch im Vordergrund liegende Galaxien bzw. Galaxienhaufen, die als Gravitationslinsen wirken, Mehrfachbilder erzeugt. Es wird gezeigt, dass auch an einem städtischen Beobachtungsort die Auflösung dieser Bilder gelingt.
Einleitung
Quasare sehen wie Sterne aus. Das ist der Grund, warum sie erst 1963 als spezielle Objekte, die keine Sterne sind, erkannt wurden. Maarten Schmidt fand, dass die bereits bekannte Radioquelle 3C 273 viel zu weit entfernt war (z = 0,158 –> 1,9 Mrd. Jahre Lichtlaufzeit), um noch als Stern eine solche scheinbare Helligkeit zu haben. Die Quelle wurde deshalb als quasi-stellar, i. e. Quasar bezeichnet. [1]
Durch ihre sehr große Helligkeit sind Quasare für uns auf der Erde auch noch in riesigen Entfernungen beobachtbar. Ihr Licht muss auf dem Weg zu uns u. U. große Materieansammlungen wie Galaxien oder sogar Galaxienhaufen passieren, die den Raum verkrümmen und damit als Gravitationslinse wirken. Die Folge kann sein, dass wir auf der Erde zwei oder mehr Bilder von ein und demselben Quasar beobachten. Die Beobachtungen von drei dieser Quasare werden im Folgenden beschrieben.
Doppel-Quasar Q0957+561
Der Doppel-Quasar Q0957+561 wurde 1979 entdeckt [2]. Man konnte eindeutig nachweisen, dass es sich um zwei durch eine Gravitationslinse erzeugte Bilder desselben Quasars handelt. Außerdem wurde gezeigt, dass das Licht der B-Komponente 417 Tage später auf der Erde eintrifft als das der A-Komponente.[3] Der Quasar zeigt eine Rotverschiebung von z = 1,41, was einer Lichtlaufzeit von 9,3 Mrd. Jahren entspricht. Das Licht der Galaxie, die für die Linsenwirkung verantwortlich ist, zeigt eine Rotverschiebung von z = 0,36, was eine Lichtlaufzeit von 3,9 Mrd. Jahren bedeutet. [4] [5] Die scheinbare Helligkeit (V-Band) der A-Komponente beträgt 16,7 mag, die der B-Komponente 16,5 mag und die des Galaxienhaufens 21,9 mag, sodass diesere auf den hier gezeigten Aufnahmen nicht zu sehen ist. Der scheinbare Abstand der beiden Bilder des Quasars beträgt 6 arcsec. [6]

Die Galaxie im oberen Teil des Bildes ist NGC 3079 (sog. Phantom-Frisbee-Galaxie). Von ihr war das Licht allerdings „nur“ 73,7 Mio. Lichtjahre unterwegs.
Verwendete Technik: Teleskop: Newton 250/1200, Luminanz-Filter, Kamera: QHY268M, L 18 x 120s, RGB 6 x 120s è1,2 Stunden Gesamtbelichtungszeit

(Q0957+561 hatte ich auch schon am 6.3.2021 aufgenommen, allerdings mit einem größeren Teleskop und einer DSLR-Kamera. Der Beobachtungsort war ländlich. [7])

Quelle: Stellarium
Doppel-Quasar RXJ0921+4529
Der Quasar wurde im Jahr 2000 entdeckt und als durch eine Gravitationslinse erzeugtes Doppelbild beschrieben, mit der Einschränkung, dass es auch ein echter Doppelquasar sein könnte. 2010 wurde das von einer anderen Arbeitsgruppe genau gegenteilig dargestellt. [8]
Sein Licht hat etwa 9,9 Mrd. Jahre (Rotverschiebung Z=1,66) bis zur Erde in meinen Garten in Osnabrück im Stadtteil Sonnenhügel gebraucht. [5] Die helle Komponente A ist lt. Simbad 18,7 mag hell (V), B soll über 1 mag dunkler sein. [9] Auf der eigenen Aufnahme vom 16./17.2.2025 ist sie noch sehr schwach zu erahnen. Der scheinbare Abstand beträgt 6.97 arcsec. [8]

Verwendete Technik: Teleskop: Newton 250/1200, Luminanz-Filter, Kamera: QHY268M, 135 Aufnahmen a 120s è 4,5 Stunden


Quelle: Stellarium
Dreifach-Quasar SDSS J1029+2623
Der durch Gravitationslinsen mehrfach abgebildete Quasar SDSS J1029+2623 wurde 2006 entdeckt. [11] Er ist mein momentaner persönlicher Gartenentfernungsrekord. Die Aufnahme wurde am 2.3.2025 erstellt. Die Rotverschiebung des Quasars beträgt z=2,197, was einer Lichtlaufzeit von 10,83 Mrd. Jahren entspricht. Die Rotverschiebung der Galaxien (Cluster) (Grav.-Linse) beträgt z=0,58. Deren Licht war damit „nur“ 5,64 Mrd. Jahre unterwegs, bis es in Osnabrück ankam. [12] [5]
Der scheinbare Abstand der Bilder A und B/C beträgt 22.6 arcsec. Damit hat dieser Quasar die am weitesten getrennten Bilder. Das Licht der Komponente B kommt 744 Tage später als das der Komponente A an. Das Licht der Komponente C kommt noch einmal 2-3 Tage später als das der Komponente B. [12]
Gravitationslinsen, die aus einem Cluster von Galaxien bestehen, eignen sich gut zum Testen kosmologischer Modelle. Entsprechend aktuell ist die Forschung an diesen Objekten. [13]

Verwendete Technik: Teleskop: Newton 250/1200, Luminanz-Filter, Kamera: QHY268M, 123 Aufnahmen a 120s i. e. 4,1 Stunden Belichtung


Quelle: Stellarium
Schluss
Gravitationslinsen, zuerst von Einstein vor über 100 Jahren gefordert, sind heute allgemein akzeptierte Realität. Zugegeben, die eigenen Aufnahmen der durch eben solche Gravitationslinsen mehrfach abgebildeten Quasare, sind nicht so farbenprächtig wie die Aufnahmen, die man üblicherweise von Astronomen gewohnt ist. Aber es hat schon einen ganz besonderen Reiz, aus einem städtischen Garten diese für unsere Alltagserfahrung völlig unbegreiflichen Phänomene abzubilden.
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[1] Für allgemeine Informationen zu Quasaren siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Quasar
Wer ins Detail gehen möchte, kann dies hier tun: https://www.open.edu/openlearn/science-maths-technology/introduction-active-galaxies/content-section-0?intro=1
[2] Walsh, D., Carswell, R. & Weymann, R., 0957 + 561 A, B: twin quasistellar objects or gravitational lens?, Nature 279, 381–384 (1979), https://doi.org/10.1038/279381a0
[3] V. N. Shalyapin, L. J. Goicoechea, E. Koptelova, A. Ullán and R. Gil-Merino, New two-colour light curves of Q0957+561: time delays and the origin of intrinsic variations, Astronomy & Astrophysics 492, 401-410 (2008), https://doi.org/10.1051/0004-6361:200810447
[4] L. J. Goicoechea, V. N. Shalyapin and A. Oscoz, Apparent correlation between extrinsic and intrinsic flux variations in the first gravitationally lensed quasar, Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, Volume 530, Issue 2, May 2024, Pages 2273–2281, https://doi.org/10.1093/mnras/stae952
[5] https://astro.goblack.de/Theorie/t_tools.html
Als Hubble-Kontante wurde der Wert 74,2 der NASA/IAU genommen.
[6] Wikipedia, ausgelesen am 13.3.2025
https://de.wikipedia.org/wiki/Q0957%2B561
[7] https://kosmos-os.de/der-zwillingsquasar-qso-0957561ab/
[8] RXJ 0921+4529: A BINARY QUASAR ORAGRAVITATIONALLENS?
L. C. Popovic et al, The Astrophysical Journal Letters, 721:L139–L142, 2010 October 1
RXJ 0921+4529: A BINARY QUASAR OR A GRAVITATIONAL LENS? – IOPscience
[9] Multi-Frequency Analysis of the New Wide-Separation Gravitational Lens Candidate RXJ0921+4529
J. A. Munoz et al, August 2000, The Astrophysical Journal 546:769-774
https://www.researchgate.net/publication/222711948_Multifrequency_Analysis_of_the_New_Wide-Separation_Gravitational_Lens_Candidate_RX_J09214529
[10] Ausgelesen aus Aladin am 15.3.2025 mit den Koordinaten: 09 21 22.87 +45 29 58.6
https://aladin.cds.unistra.fr/AladinLite/
[11] SDSS J1029 2623: A GRAVITATIONALLY LENSED QUASAR WITH AN IMAGE SEPARATION OF 22.51
Naohisa Inada et al, The Astrophysical Journal, 653: L97–L100, 2006 December 20
https://iopscience.iop.org/article/10.1086/510671/pdf
[12] A TWO-YEAR TIME DELAY FOR THE LENSED QUASAR SDSSJ1029+2623
Janine Fohlmeister et al
The Astrophysical Journal, 764:186 (8pp), 2013 February 20
https://iopscience.iop.org/article/10.1088/0004-637X/764/2/186
[13] The Next Step in Galaxy Cluster Strong Lensing: Modeling the Surface Brightness of Multiply Imaged Sources
Ana Acebron et al, The Astrophysical Journal, 976:110 (14pp), 2024 November 20
https://iopscience.iop.org/article/10.3847/1538-4357/ad8343/pdf