Ein Beitrag von Werner Wöhrmann und Dr. Gerold Holtkamp 22.03.2024
Das der Erde am nächsten gelegene aktive Sternentstehungsgebiet liegt im Sternbild Orion im sog. Pferdekopfnebel. In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist sehr viel Forschungsarbeit aufgewandt worden, um seinen strukturellen Aufbau und die in ihm wirkenden Mechanismen zu ergünden.
Der Pferdekopfnebel im Sternbild Orion ist unter Astronomen wohl eines der bekanntesten Objekte am Himmel. Die relativ dunkle Struktur befindet sich von uns aus gesehen gut sichtbar vor der leuchtenden H II-Region IC434, die in der Nähe des Orion Gürtelsterns Alnitak in Nord-Süd-Richtung verläuft. Er ist allerdings auch physikalisch ein Teil von IC434.
Die erste bekannte Erwähnung des markanten, leuchtenden Bereichs stammt von Wilhelm Herschel. Er gab ihm 1811 die Bezeichnung Objekt Nr. 25. Der Pferdekopfnebel selbst wurde zum ersten Mal von Williamina Paton Stevens Fleming 1888 auf einer Fotoplatte identifiziert [1]. Es wurde damals schon bald klar, dass es sich nicht um einen Bereich ohne Sterne, sondern um ein reales Objekt aus Staub und Gas handelt. Deshalb trägt der Pferdekopfnebel seit 1919 in Barnards Katalog die Bezeichnung B33 [2].
Diese Ansammlung interstellaren Gases ist aber nicht nur wegen seines zufällig für uns auf der Erde so markanten Erscheinungsbildes interessant. Tatsächlich wurde in den letzten zwei Jahrzehnten dank verbesserter technischer Möglichkeiten viel Forschungsarbeit darauf verwendet, die Vorgänge und den Aufbau dieser Struktur zu erkunden.
B33 ist von den bekannten Photodissoziationsregionen* der Erde am nächsten. In diesen Bereichen werden neutrales Gas (meist Wasserstoff) und Staub durch Strahlung einer ihrerseits durch UV-Strahlung massiver junger Sterne ionisierten Gaswolke zusammengedrückt. Hierbei entstehen oft dichte säulenartige Strukturen, die manchmal wegen ihres Aussehens als Elefantenrüssel bezeichnet werden. Ob hier auch Stoßfronten eine Rolle spielen, die bei dem Auftreffen des Gases der H II Region auf das umliegende Gas entstehen, ist nach wie vor in der Diskussion. Außerdem spielen Magnetfelder innerhalb der Struktur eine Rolle [3].
Der Stern Sigma Orionis wird als die starke UV-Quelle angesehen, die die Gaswolke IC434 ionisiert. Es handelt sich um einen massereichen, strahlungsintensiven Stern der Klasse OB, der einem Mehrfachsystem angehört. Sein Abstand zu uns wird mit 1265 +/- 4,3 Lichtjahren angegeben, während der Abstand von B33 zu uns auf der Erde etwa 1300 Lichtjahre betragen soll. Das wird als ausreichend nah zueinander angenommen, um die Entstehung junger Sterne auszulösen. Die gesamte Masse des Pferdekopfnebels beträgt etwa 27 Sonnenmassen [3] [4].
Seit 1984 wird im Pferdekopfnebel nach jungen Sternen gesucht. Hierfür beobachtet man im infraroten Spektralbereich, wodurch man viel tiefer in die der optischen Beobachtung verborgenen Bereiche eindringen kann. Es wurden verschiedene starke Infrarotquellen gefunden, die junge, in der Entstehung befindliche Sterne sein können [3]. Sowohl das Weltraum Teleskop EUCLID als auch das im Infraroten arbeitende James Webb Teleskop werden bei der Erforschung dieses Sternentstehungsgebietes im Pferdekopfnebel noch viele spannende Erkenntnisse bringen [5] [6].
* Photodissoziation oder auch Photolyse ist die Aufspaltung von Molekülen durch energiereiche Strahlung wie z. B. UV-Licht. Die intensive energiereiche Strahlung und der Sternenwind eines Sterns – hier sind besonders junge massereiche Sterne relevant – wirken auf das umgebende interstellare Medium, bestehend zum großen Teil aus HII, ein und bewirken neben der Photodissoziation auch die Strukturbildung.
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Quellen:
[1] Edward Charles Pickering „Detection of new nebulae by photography“ in
[2] Pound, M. W., Reipurth, B. & Bally, J., The Astronomical Journal, 125:2108 (15pp), 2003 April
[5]https://www.esa.int/Science_Exploration/Space_Science/Euclid/Euclid_s_view_of_the_Horsehead_Nebula