„Soeben“ entdeckt – Exoplanet TOI-1259 A b

Dr. Gerold Holtkamp, 22.12.2022


Es wurde die Transitlichtkurve des erst vor zwei Jahren entdeckten Exoplaneten TOI-1259 A b gemessen. Die ermittelten Daten stimmen gut mit Literaturwerten überein. Es handelt sich um ein Doppelsternsystem, was eine Besonderheit darstellt. Die nahe Position am Himmelsnordpol ermöglicht interessante weitere Beobachtungen.


Zugegeben, der Name ist nicht besonders spektakulär und regt auch nicht die Phantasie an. Aber dass dieser fremde Planet erst im Jahr 2020 entdeckt wurde, wo er in gerade einmal 385 Lichtjahren Entfernung von uns um den Stern TOI-1259 A seine Bahn zieht, ist schon bemerkenswert. Aber das Raumvolumen und damit die Anzahl der Sterne nehmen natürlich mit der Entfernung enorm zu. Da kann sich so einiges Unentdecktes verstecken. Auch wenn wir Amateure nicht die Entdecker sein können, so ist es  für uns trotzdem sehr reizvoll, zeitlich so nah hinter den Profis solch eine Planetenentdeckung nachzuvollziehen – mit eigenem Gerät, aus einem stadtnahen Garten – undenkbar noch vor 30 Jahren. Wenn man selber den Beweis führen kann und ihn nicht nur irgendwo liest, das ist eine andere Qualität des Erlebens von Astronomie.


Das Beobachtungsobjekt

Der Exoplanet TOI-1259 A b wurde erst in 2021 entdeckt. Es handelt sich hierbei um das Veröffentlichungsdatum. Die eigentliche Entdeckung dürfte bereits 2019 erfolgt sein. Der Mutterstern TOI-1259 A ist Stern mit einem 0,71-fachen Radius und der 0,68-fachen Masse unserer Sonne und einer Oberflächentemperatur von 4800 K, der uns auf der Erde 12,1 mag hell erscheint. Der Exoplanet TOI-1259 A b ist ein sog. heißer Jupiter, d.h. er hat Jupiters 0,44-fache Masse und seinen 1,02-fachen Durchmesser. Die Oberflächentemperatur von 963 K bedingt seinen Namen. Er umrundet seinen Mutterstern in erstaunlichen 3,48 Tagen in einer Entfernung von gerade einmal 6 Mio. km (große Halbachse). Er erzeugt bei seinem Transit eine Verdunkelung von 29 mmag. Es gibt einen stellaren Begleiter, TOI-1259 B, der in etwa 1600 AU (0,025 Lj) gravitativ an den Hauptstern gebunden ist. Er erscheint uns ca. 19 mag hell [1] [2].


Das System ist als Beobachtungsobjekt sehr interessant:

  • Noch bis vor wenigen Jahren hielt man es für nicht möglich, dass ein Exoplanet in einem Doppelsternsystem eine stabile Umlaufbahn einnehmen könnte.
  • Für Amateurgeräte hat der Mutterstern eine ausreichende Helligkeit und eine hohe Transitverdunkelung.
  • Die Helligkeit des Muttersterns macht das System zu einem möglichen Kandidaten für Untersuchungen der planetaren Atmosphäre mit Weltraumteleskopen wie Hubble oder James Webb.
  • Und schließlich ist die zirkumpolare Position im Sternbild Drache von großem Vorteil, weil sie eine ganzjährige Beobachtung ermöglicht.


Ausschnitt aus der Planetariumsoftware Stellarium


Die Messung

Die Daten zur Vorhersage des Transits von TOI 1259 A b vor seinem Mutterstern wurden der Datenbank Transitfinder des Swarthmore College entnommen [4].


Screenshot aus Transit Finder


Ein Blick zum Himmel am Spätnachmittag des 14.12.2022 und auch die Wettervorhersagen versprachen, dass es eine klare Nacht werden würde. Allerdings sollten Temperaturen von -9° Celsius erreicht werden. Zusätzlich war viel Feuchtigkeit in der Luft. Also galt es, sich und die Ausrüstung darauf einzurichten. Warme Kleidung und eine Objektivheizung für das Guidescope waren ein Muss. So waren im Verlauf der Messungen (> 4 Std.) zwar das Teleskop und die Montierung sehr stark mit Raureif überzogen, Kamera, Guidescope und vor allem Haupt- und Fangspiegel des Teleskop blieben während des Betriebs beschlagfrei. Der Mond ging um 21:20 UTC auf und war zu 70% beleuchtet, aber 83° vom Beobachtungsobjekt entfernt.


Die Ausrüstung am Morgen. Ein ähnliches Bild bot sich in der Nacht.


Als Ausrüstung kamen zum Einsatz:

  • Teleskop: Newton, 250 mm Öffnung, 1200 mm Brennweite [5]
  • Montierung: AZ-EQ6 GT Pro
  • Steuerungssoftware: SynScanPro, Stellarium
  • Kamera: QHY268M
  • Aufnahmesoftware: AstroArt 8
  • Filter: L Antlia Pro
  • Guiding: Refraktor, 50 mm Öffnung, 180 mm Brennweite
  • Guidingsoftware: PHD Guiding 2


Es wurden an Aufnahmen erstellt:

  • 240 Lights mit je 60 s (17:56 bis 22:15 UTC)
  • 10 Darks
  • 10 Flats
  • 10 Bias


Eingestellt waren Gain 60, Bias 20 und die Temperatur des Aufnahmechips -12° C, die aber im Verlauf der Nacht auf -13,8° C absank. Die Überprüfung der Sternhelligkeiten erfolgte mit AstrArt 8, die Auswertung der Aufnahmen mit MuniWin 2.1.


Die Ergebnisse

Die Messergebnisse wurden sowohl in die Datenbank der AAVSO (American Association of Variable Star Observers) [3] als auch in die ETD (Exoplanet Transit Database) der Tschechischen Astronomischen Gesellschaft eingestellt [6][7]. Bei ETD werden nicht nur eine Ausgleichskurve gerechnet, sondern auch aus den Messwerten ermittelte Daten angegeben.


ETD Messdaten und Ausgleichskurve


Die von ETD aus den Messdaten errechneten Werte sind in der folgenden Tabelle dargestellt. Die händisch selbst ermittelten Werte sind in geschweiften Klammern, die von ETD aus der Literatur entnommenen Werte in runden Klammern und die im Transit Finder des Swarthmore College angegebenen Werte sind in eckigen Klammern angegeben.

  • Mitte des Transits am 14.12.2022: 20:06:49 {20:04} (o. A.) [20:05] UTC
  • Transitdauer: 141.0 +/- 1.6 {141} (148) [140] min
  • Transittiefe: 28,8 +/- 0.0012 {29} (28,7) [29,03] mmag


Den Vergleich mit einigen anderen vorliegenden Messungen zeigen die folgenden Abbildungen.


Vergleich gemessener Absenkungen der Lichtkurve aus ETD: Der blaue Punkt ist die eigene Messung. Seine Dicke gibt die von ETD bewertete Qualität der Messung an.


Vergleich gemessener Transitdauern aus ETD


Der Einsatz eines 10“ Teleskops zur Beobachtung eines Exoplanetentransits war erfolgreich. Die Absenkung im zweiten Teil der Sohle der Lichtkurve ist vermutlich auf das Abschalten von störender Beleuchtung in der Nachbarschaft zurückzuführen. Hierauf muss in Zukunft geachtet bzw. müssen Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Der Mond, immerhin zu 70% beleuchtet, könnte sich aber erst – wenn überhaupt – ab 21:20 UTC bemerkbar gemacht haben.


Da es sich bei diesem System um zwei Sterne handelt, wurde auch versucht, den deutlich dunkleren Partnerstern sichtbar zu machen. Dazu wurden alle 240 Aufnahmen zusammen mit den Flats und Darks gestackt. Das Ergebnis wurde noch entsprechend weiter bearbeitet und vergrößert.


Eigene Aufnahme


Ausblick

Das System TOI 1259 ist das gesamte Jahr über beobachtbar. Der Hauptstern zeigt eine durch seine Rotation bedingte Variabilität in seiner Helligkeit. Es bietet sich daher an, in einer Schönwetterperiode nicht nur den Transit seines Exoplaneten genauer zu untersuchen, sondern auch die Sternhelligkeit über mehrere Tage zu verfolgen. Eine weitere reizvolle – wenn auch sehr ambitionierte – Herausforderung kann es auch noch sein, den sog. Secondary Transit, also die Bedeckung des Planeten durch den Mutterstern, in einer Lichtkurve nachzuweisen. Dafür sind dann aber sehr gute Beobachtungsbedingungen erforderlich.


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[1] Angaben aus: http://exoplanet.eu/catalog/toi-1259a_b/

[2] Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, MNRAS 507, 4132–4148 (2021)
(https://academic.oup.com/mnras/article/507/3/4132/6329054?login=false)
Die Datierung der Entdeckung bezieht sich auf die Veröffentlichung in der Zeitschrift.
Als Einreichungsdatum wird der 30.12.2020 angegeben. Die grundlegenden Messungen der Raumsonde TESS (Transiting Exoplanet Survey Satellite)(https://tess.mit.edu/) erfolgten vom 18. Juli 2019 bis 4. Juli 2020. Das deckt sich auch damit, dass in der Datenbank der AAVSO [3] bereits eine auf den 25.4.2020 datierte erdgebundene Messung (eines Amateurs!) zu finden ist.

[3] https://app.aavso.org/exosite/?obscode=&in_notes=&star_name=TOI-1259+A&exoplanet_name=&start_date=&end_date=&results_per_page=&search=true

[4] https://astro.swarthmore.edu/transits/transits.cgi

[5] Das Teleskop wurde mir dankenswerterweise von Dr. Achim Tegeler zur Verfügung gestellt.

[6] http://var2.astro.cz/ETD/etd.php?STARNAME=TOI-1259%20A&PLANET=b
Der eigene Beitrag wurde durch ETD zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Berichts noch eines sog. „Quality Checks“ unterzogen, so dass eine Verzögerung von mehreren Wochen entstehen kann.

[7] Poddany S., Brat L., Pejcha O., New Astronomy 15 (2010), pp. 297-301,
Exoplanet Transit Database. Reduction and processing of the photometric data of exoplanet transits (arXiv:0909.2548v1)

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