Transitlichtkurve des Exoplaneten TOI-1259 A b am 25./26.9.2023

– Messgenauigkeit und Fehler, die man vermeiden kann –


Dr. Gerold Holtkamp, 4.10.2023


Der Vorbeizug (Transit) des Exoplaneten TOI-1259 A b vor seinem Mutterstern, der eine Komponente eines Doppelsternsystems ist, wird gezeigt. Die aufgenommene Lichtkurve stimmt gut mit den Messungen anderer Autoren überein. Eine genaue Fehlerbetrachtung gibt Hinweise zur weiteren Verbesserung dieser sensiblen Messmethode.


Schon wieder eine Transitlichtkurve des Exoplaneten TOI-1259 A b, wo doch erst vor noch nicht einmal einem Jahr vom selben Autor eine gemessen und ebenfalls hier veröffentlicht wurde [1]? So wird sich mancher Leser fragen. Das stimmt zwar, aber ….


Um über einen Stern mehr zu erfahren, haben sich die Astronomen eine Menge einfallen lassen. So kann man Exoplaneten seit etwa 1990 nachweisen u. a. mit der sog. Transitmethode. Das Schöne daran ist, dass diese Methode auch für Amateure zugänglich ist. In verschiedenen Datenbanken werden solche Transitlichtkurven von Amateuren weltweit gesammelt. Und da macht’s die Menge! Sind die Amateurmessungen vielleicht auch fehlerbehafteter als die der Profis mit ihren teuren erdgebundenen oder gar satellitengestützten Geräten, so gibt es von den Amateuren viele und deutlich preiswertere (zumindest aus Profisicht) Daten. Das haben auch längst die Profis erkannt. Deshalb gibt es verschiedene Datenbanken bzw. Initiativen, die diese Daten sammeln (ETD [2], AAVSO [3], Exoclock [4]). Diese sog. Bürgerwissenschaft oder Citizen Science trägt also zur genaueren Erforschung der Exoplaneten bei. So kann man z.B. in den Datensammlungen zu den einzelnen Objekten über die Jahre durchaus Veränderungen feststellen (s.u. Bedeckungsdauer des Exoplaneten TOI-1259 A b). Zum einen werden die Angaben zu den einzelnen Exoplaneten mit der zunehmenden Zahl an Messungen immer genauer. Zum anderen ist man aber auch auf der Suche nach sog. Transit Timing Variations, also Veränderungen der Transitdauer eines Planeten, die einen Hinweis auf andere noch nicht bekannte Planeten im jeweiligen System geben können.


Der Exoplanet TOI-1259 A b

Zur genaueren Beschreibung des Exoplaneten TOI-1259 A b sei auf den Bericht vom 14.12.2022 verwiesen. [1] Zusätzlich zu den dort genannten Gründen, warum dieses Beobachtungsobjekt interessant ist, können genannt werden:


1. Der Mutterstern ist Teil eines Doppelsternsystems. Der Hauptstern TOI-1259 A, um den der Exoplanet kreist, hat den stellaren Begleiter TOI-1259 B, der in etwa 1.600 AU (0,025 Lj) gravitativ an den Hauptstern gebunden ist. Uns auf der Erde erscheint er ca. 19 mag hell. Ein Exoplanet in einem Doppelsternsystem ist – bis jetzt – etwas Besonderes, aber offensichtlich möglich. In diesem Fall kreist der Planet um die Hauptkomponente. Es wurden aber auch schon Systeme gefunden, in denen der Exoplanet um die beiden eng gebundenen Sterne kreist.


2. Die Helligkeit des Muttersterns TOI-1259 A macht ihn zu einem geeigneten Kandidaten für satellitengestützte spektroskopische Untersuchungen der Atmosphäre des Exoplaneten. Hierbei will man ausnutzen, dass Teile des Lichts des Muttersterns beim Transit durch die Randbereiche der Planetenatmosphäre hindurchgehen und dabei durch die dort vorhandenen Elemente charakteristisch verändert werden. Im gesamten Licht des Sterns, das uns erreicht, ist aber nur ein Bruchteil verändert. Man braucht also sehr empfindliche störungsarme Methoden zur Analyse, die einem bis jetzt nur mit Geräten im Weltraum zur Verfügung stehen können. So ist TOI-1259 A b im sog. Ariel Mission Reference Sample aufgeführt [5]. Ariel ist eine für 2029 geplante europäische Sonde zur Untersuchung von Exoplanetenatmosphären [6]. Das Projekt Exoclock ist speziell ins Leben gerufen worden, um genaue Daten über Exoplaneten zu sammeln, die von Amateuren weltweit gesammelt werden.


Natürlich ist hier auch und vor allem das James Webb Teleskop zu nennen, das für genau diese Aufgabe besonders geeignet ist.


Die Messung

Der Messaufbau am 25. -26.9.2023 war der gleiche wie am 14.12.2022. Einen Unterschied gibt es allerdings: Statt eines Guidescopes wurde nun ein Off-Axis-Guider verwendet, der eine deutlich bessere Feinnachführung ermöglichen sollte, was er auch tatsächlich getan hat.


Es wurden an Aufnahmen erstellt:

  • 304 Lights mit je 45 s (22:30 bis 3:09 UTC)
  • 10 Darks
  • 10 Flats


Eingestellt waren Gain 60, Bias 20 und die Temperatur des Aufnahmechips -10° C. Die Überprüfung der Sternhelligkeiten erfolgte mit AstroArt 8, die Auswertung der Aufnahmen mit MuniWin 2.1.


Die Ergebnisse

Die gemessenen Werte wurden wieder wie schon bei einigen anderen Projekten in der Vergangenheit bei der ETD – Exoplanet Transit Database der Tschechischen Astronomischen Gesellschaft eingereicht. Hier bekommt man nicht nur eine Auswertung der Daten. Sie werden auch nach einem Qualitätscheck in deren Datenbank eingestellt und sind somit für jedermann zugänglich. In der folgenden Tabelle sind sie aufgeführt.


 Eigene Werte in ETD 25.9.2023Eigene in Werte ETD 14.12.2022ETD
2023
ETD 2022
Transit Finder 2023Transit Finder 2022
JD mid2460213.53105 +/- 0.00045   0:46 UTC 
HJD mid2460213.53134 +/- 0.00045 2460213.533   
Duration144.3 +/- 1.6141.0 +/- 1.6148148151140
Depth0.0313 +/- 0.00070.0288 +/- 0.0012 0.02870.027020.029
Tabelle: Messwerte im Vergleich zu Literaturvorgaben


Man sieht, dass sich die Vorgaben des Transit Finders von 2022 nach 2023 verändert haben. Das ist ein Hinweis darauf, dass es bei diesem System noch lohnend ist, „genauer hinzusehen“. Im Folgenden werden die Lichtkurve und die Lage der eigenen Werte im Vergleich zu den anderen Messungen in ETD gezeigt.


Gemessene Transitlichtkurve in ETD


Der Transit des Exoplaneten ist deutlich erkennbar. Bereits an dieser Stelle konnten die Transitdauer mit etwa 144 Minuten und die Transittiefe mit etwa 0.030 mag gut abgeschätzt werden.


Gemessene Transittiefe mit anderen Messungen in ETD


Der Eintrag der eigenen Messung in diesem Diagramm zeigt -eine Abweichung vom vorhergesagten Wert nach oben, also zu einer stärkeren Verdunkelung. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Werte in Zukunft entwickeln werden.


Gemessene Transitdauer mit anderen Messungen in ETD


Der Eintrag der eigenen Messung in diesem Diagramm zeigt – wie bei den Messungen der meisten anderen Autoren auch – eine Abweichung vom vorhergesagten Wert, allerdings nach unten, also zu kürzeren Transitzeiten. Auch hier bleibt abzuwarten, wie sich die Werte in Zukunft entwickeln werden.


Qualität der Ausgleichskurve im Vergleich mit anderen Messungen in ETD


Dieses Diagramm zeigt die Abweichung der Messdaten von der gefitteten Kurve (Observed – Calculated). Durch die eigenen Werte ließ sich offensichtlich ausreichend gut eine Ausgleichskurve in der erwarteten Form legen.


Fehler (und deren mögliche Vermeidung)


Himmelshelligkeit

Der Beobachtungsstandort liegt in der Stadt Osnabrück. Das lässt sich nicht ändern. Das Beobachtungsobjekt lag aber im Norden, Blickrichtung also von der Innenstadt weg. Das war schon besser, weil dort nicht die Innenstadt erleuchtete. Allerdings war der zu 83 % beleuchtete Mond am Himmel, aber 103° vom Beobachtungsobjekt entfernt. Er konnte also nicht ins Teleskop scheinen. Zu Beginn der Messung war er 10° über dem Horizont. Monduntergang war am 26.9.2023 morgens um 2:26 MESZ (0:26 UTC). Den Einfluss des Mondes auf die Himmelshelligkeit kann man gut im folgenden Diagramm der Himmelshelligkeit aus der MuniWin-Auswertung sehen. Die Abnahme der Helligkeit ist durch den untergehenden Mond bedingt. Der Anstieg der Helligkeit nach 2:00 UTC lässt sich durch die ab diesem Zeitpunkt geringere Höhe des Beobachtungsobjekts über dem Horizont erklären (s. Diagramm Airmass). Beginn der astronomischen Dämmerung war am 26.9.2023 morgens um 5:24 MESZ (3:24 UTC), hatte also keinen Einfluss auf die Himmelshelligkeit während der Messung.



Himmelshelligkeit in ADU/Pixel vs Uhrzeit in UTC (MuniWin)


Airmass vs Uhrzeit in UTC (MuniWin)


Positionveränderung des Lichtflecks des Sterns auf dem Chip

Die einzelnen Pixel des Kamerachips haben unterschiedliche Nachweisempfindlichkeiten, d.h. die Ausbeute an Elektronen pro Lichtquant ist leicht unterschiedlich. Das Optimum der Positioniergenauigkeit des Teleskops wäre erreicht, wenn durch den Sternfleck immer dieselben Pixel beleuchtet würden. Durch die Flatfieldaufnahmen wird zwar das meiste dieser Unregelmäßigkeiten kompensiert (natürlich auch die Vignetierung, Schmutz auf der Optik und andere Abbildungsfehler), es bleibt aber ein nicht vorhersagbarer Einfluss.


Position Lichtfleck (Pixel vs Uhrzeit in UTC) auf der X-Achse des Kamerachips (MuniWin)


Position Lichtfleck (Pixel vs Uhrzeit in UTC) auf der Y-Achse des Kamerachips (MuniWin)


Trotz Einsatz des Off-Axis-Guiders wandert der Lichtfleck des Zielsterns über den Chip, weniger in Y-Richtung (senkrecht zur optischen Achse des Hauptspiegels), besonders stark aber in X-Richtung (parallel zur optischen Achse des Hauptspiegels). Die Ursache ist nicht völlig klar, da doch der Guider einen Teil der gleichen Strahlen wie der Hauptkamerachip aufnimmt. Möglicherweise ziehen zu locker angebrachte Kabel an der Guidekamera, deren Position sich während der Messung um fast 90° relativ zum Erdboden verändert hatte.


Größe des Sternflecks auf dem Chip


Größe (FWHM) des Leuchtflecks des Zielsterns vs Uhrzeit in UTC

Die Größe des Lichtflecks des Zielsterns schwankt etwas und nimmt in der zweiten Hälfte der Messperiode etwas zu, dürfte aber die Auswertung durch MuniWin nicht signifikant beeinflusst haben.


Stabilität der Chiptemperatur


Temperatur des Kamerachips (°C) vs Uhrzeit in UTC


Die Chiptemperatur ist während der Messperiode sehr stabil geblieben.


Die Ausleuchtung der Pixel des jeweiligen Sterns

Wichtig ist, dass die Hauptkamera im linearen Bereich gearbeitet hat, dass also keine Pixel der relevanten Sterne überbelichtet wurden. Die verwendeten Vergleichssterne sind zwar relativ gering belichtet, dafür sind sie aber in der Nähe des Zielsterns. Ein Vergleich mit weiter weg liegenden besser belichteten Sternen brachte keine Verbesserung der Transitlichtkurve. Der Vorteil der besseren Belichtung wird wohl durch die Nachteile des größeren Abstands vom Zielstern (z.B. unterschiedliche atmosphärische Störungen) kompensiert. Die Lichtflecken erscheinen elliptisch, weil die Pixel von AstroArt rechtwinklig und nicht quadratisch dargestellt werden. Sie sind also tatsächlich rund gewesen.


Typische Pixelbeleuchtung (ohne Checkstar)


Position von Zielstern (Var) und Vergleichssternen



Lichtkurve ohne Vergleichsterne


Transitlichtkurve (absolut, ohne Vergleichssterne) vs Zeit (UTC)


Die Lichtkurve ohne Vergleichsterne zeigt bereits die Absenkung, wenn auch mit einem starken Trend und einigen Ausreißern nach unten, die auf durchziehende Schleierwolken zurückzuführen sein können. Das würde natürlich von Vergleichssternen abgefangen. Die Transitdauer und die Absenkung der Lichtkurve sind aber schon sehr genau festzulegen.


Bewertung

Die eigenen Werte stimmen sowohl bei der Transitdauer als auch bei der Transittiefe mit den anderen gemessenen Werten überein. Eine systematische Veränderung der Transitdauer im Sinne von Transit Timing Variations kann nicht oder noch nicht festgestellt werde. Dafür liegen noch zu wenig Messungen vor. Es wird reizvoll sein, die weitere Entwicklung der gemessenen Daten zu verfolgen, insbesondere im Hinblick auf die mögliche Nutzung bei der satellitengestützen Untersuchung der Atmosphäre von TOI-1259 A b durch das JWST und die geplante ESA-Mission Ariel.


Die abschließende Bewertung und damit die Übernahme der Daten durch ETD in die Datenbank stehen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung diese Berichts noch aus. Die gezeigten Diagramme wurden aber vorab von ETD automatisch erstellt.


Die Daten wurden außerdem der Exoplanetendatenbank der AAVSO – American Association of Variable Star Observers zur Verfügung gestellt. Alle eigenen Transitlichtkurven, auch die anderer Exoplaneten, sind zu finden unter [7].


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[1] https://kosmos-os.de/berichte-und-beobachtungen/exoplaneten/

[2] http://var2.astro.cz/ETD/

[3] https://www.aavso.org/databases

[4] https://www.exoclock.space/

[5] The Astronomical Journal, 164:15 (25pp), 2022 July, https://doi.org/10.3847/1538-3881/ac6bf9

[6] Experimental Astronomy (2018) 46:135–209, https://doi.org/10.1007/s10686-018-9598-x

[7] https://app.aavso.org/exosite/?obscode=HGEA&in_notes=&star_name=TOI+1779&exoplanet_name=&start_date=&end_date=&results_per_page=&search=true

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